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Aus: Ausgabe vom 14.09.2024, Seite 8 / Ansichten

Ist ein Pilot an Bord?

Eskalation des Ukraine-Kriegs
Von Reinhard Lauterbach
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Ukraine, Saporischschja: Soldat startet eine Drohne, die eine Nutzlast von bis zu 15 Kilogramm hat und mit einer Wärmebildkamera ausgestattet ist

Nach dem, was US-Leitmedien über die Debatte zum Thema der Raketenschläge ins Innere Russlands berichten, kommt Widerstand gegen eine solche Erlaubnis ausgerechnet aus dem Pentagon und von der Generalität. Kein Wunder, die Generäle können die Auswirkungen bestimmter Schritte einschätzen. Anders als offensichtlich Politiker wie der in die Senilität abdriftende Joseph Biden oder der britische Premierminister Keir Starmer mit seiner treuherzigen Bemerkung, Britannien wolle keinen Konflikt mit Russland. Aber die Ukraine müsse sich verteidigen können. Völlig gaga der Mann – bzw. zynisch. Denn Starmers Argument ist unvollständig und lebt von seiner Fortsetzung: Wenn der Konflikt dann doch kommt, dann haben »wir« ihn nicht gewollt, es waren die anderen. So hat Wilhelm II. 1914 auch getönt: Der Krieg sei Deutschland »aufgezwungen« worden. Da wird an Schuldlegenden gestrickt, bevor der Krieg auch nur offiziell begonnen hat. Wieder ganz wie vor 110 Jahren. Die Leichtfertigkeit, mit der westliche Politiker – und Berliner Schreibtischhelden wie Markus Faber oder Anton Hofreiter stehen Starmer in nichts nach – das Risiko eines Krieges mit Russland kleinreden, also willentlich in Kauf nehmen, ist inzwischen wahrhaft atemberaubend.

Dass Wladimir Putins Erklärung, mit dem Einsatz westlicher Langstreckenraketen würden die Länder, die diese der Ukraine geliefert haben, offen in den Krieg mit Russland eintreten, faktisch solide begründet ist, zeigt das – schon wieder in Vergessenheit geratene – Telefongespräch hoher Offiziere der deutschen Luftwaffe vom Februar dieses Jahres. Da ging es genau darum, dass die Teilnahme von Bundeswehr-Spezialisten an der Programmierung der Zielkoordinaten von »Taurus«-Raketen rechtlich nichts anderes als eine Beteiligung an Kriegshandlungen ist. Daher seinerzeit das Herumeiern der Teilnehmer, ob man das nicht an Ukrainer auslagern könne, um selbst aus dem Spiel zu bleiben. Es gab Zweifel, und die sind anscheinend zumindest in Berlin erhalten geblieben, obwohl der teilnehmende Luftwaffeninspekteur seinen beiden Oberstleutnants auftrug, dem Kanzleramt auf die Sprünge zu helfen und eine Freigabe zu erwirken.

Das ist mehr als Leichtfertigkeit. Sie wissen sehr genau, was sie tun und riskieren. Aber die Spitzenpolitiker der NATO sind Gefangene der rhetorischen Blankoschecks, die sie der Ukraine ausgestellt haben: Unterstützung »solange wie nötig«. Damit machen sie sich zur Geisel einer ukrainischen Politik, die in genau der Eskalation des Konflikts zu einem nicht nur verdeckten, sondern offenen NATO-Russland-Krieg inzwischen ihre einzige Überlebenschance wahrnimmt. Und ihren Botschafter in Berlin von der deutschen Politik »viel mehr Mut« einfordern lässt. Was macht eigentlich dieser Botschafter noch in Berlin? Braucht die Ukraine nicht dringend Soldaten? Soll er doch gehen und den Mut beweisen, den er von anderen fordert.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (13. September 2024 um 20:28 Uhr)
    Richtig ist: »Sie wissen sehr genau, was sie tun.« Ob sie wissen, was sie riskieren, bezweifle ich. Ebenso bezweifle ich, dass sie sich zu Geiseln einer ukrainischen Politik machen. Die könnten sie in kürzester Zeit ändern – wenn sie wollten. Natürlich um den Preis, ihre aggressiven Ziele aufgeben zu müssen. Die Vermutung/Hoffnung des WW, die heutige russische Führung würde, wie damals die sowjetische unter Gorbatchow, den Schwanz einziehen oder innere politische Verwerfungen diese Führung wegspülen, erfüllen sich sichtlich nicht. Leider machen Dummheit und Unwissenheit die WWF (WerteWestenFührung) nicht ungefährlicher. Zehn, elf Jahre seit dem Maidan an Ignoranz und Arroganz sprechen für sich; Analogien zur Afghanistan-»Strategie« sind offensichtlich.

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